- Das Bestimmen der Ost-West Richtung
Unter Horizontastronomie versteht man die genaue Beobachtung, was astronomisch am Horizont abläuft. In erster Linie ist es die tägliche Verschiebung der Sonnenaufgangs-und Sonnenuntergangspunkte wie hier. Diese sind für Kalenderberechnungen wichtig.
Bei dem Mond lassen sich hingegen so Mondfinsternisse vorhersagen ( Vereinfacht gesagt muss der Mond genau dort untergehen, wo die Sonne untergeht und nicht nördlich oder südlich daneben)
Und mit dem Zeitpunkt der ersten oder letzten Sichtbarkeit von Sternen oder Sterngruppen wie den Plejaden lassen sich wichtige Termine bestimmen.
Der Fundort des Steines kann nicht zugleich der Beobachtungsort gewesen sein, da die Tag-und Nachtgleiche dort nicht beobachtbar ist. Dafür bietet sich der nur wenige 100 Meter entfernte Kreisberg an.
Die Sichtbedingungen sind ideal. Durch den Regenschatten des Harzes und zusätzlich dem speziellen Kleinklima durch die Salzauslaugungssenke mit dem Süßen See ist die jährliche Sonnenscheindauer überdurchschnittlich hoch.( Höhnstedt ist das nördlichste Weinanbaugebiet )
Auf dem Foto sehen wir, wie die Sonne auf dem Horizont "aufsitzt". Astronomisch befindet sie sich aber genausoviel unter dem Horizont, nur auf Grund der Lichtbrechung am Horizont ist sie angehoben und wir sehen sie noch. Dieser Umstand ist für die Berechnung des Steines sehr wichtig: gegenüber den astronomischen errechneten Untergangspunkten verschieben sich alle sichtbaren Untergangspunkte um 1,5 Grad nach Norden.
Gegenwärtig beträgt der Winkel der Sonnenüntergänge zwischen Wintersonnenwende und Sommersonnenwende an dieser Stelle 79,4 Grad. Gehe ich 5000 Jahre zurück, beträgt der gleiche Winkel etwas mehr, nämlich 81,6 Grad. Der Grund liegt in der langfristigen Änderung der Schiefe der Ekliptik oder gleichbedeutend der Schrägstellung der Erdachse. Vor 5000 Jahren betrug diese Schiefe 24 Grad.( gegenwärtig sind es 23,4 Grad )
Auf dem Stein ist nicht der volle Winkel zwischen den beiden Sonnenwenden von 81,6 Grad dargestellt, sondern nur der halbe Winkel von Wintersonnenwende zur Tag- und Nachtgleiche, dabei bedeutet die linke tief eingeschnittene Linie die Wintersonnenwende und die nur wenig eingeschnittenen parallelen Linien die Tag-und Nachtgleiche. Theoretisch müsten das 40,8 Grad sein, es sind aber nur 39,3 Grad. Die Erklärung ist einfach: zur Wintersonnenwende greift die oben besprochene Verschiebung um 1,5 Grad, hingegen wurde die Ost-West- Richtung astronomisch korrekt gemessen.(Siehe die Ausführungen zum sogenannten Indischen Kreis weiter unten)
Alles drei ist natürlich haargenau dasselbe und der dazugehörige Winkel betrug vor 5000 Jahren wie weiter oben schon berichtet 24 Grad. Ob alle Zusammenhänge in der Steinzeit richtig verstanden wurden, ist nicht bekannt - mit Sicherheit wurde zumindest die Schwankung der Höhe der Sonne im Verlaufe eines Jahres richtig gemessen.( = Deklination der Sonne )
Das Messen ist sehr einfach. Man benötigt nur einen geraden Stock, den man senkrecht in die Erde stellt. Zur Tag- und Nachtgleiche zeigt der Winkel des Schattenwurfes mittags die genaue geografische Breite an. Zu den beiden Sonnenwenden weicht der Winkel des Schattenwurfes davon um den Winkelbetrag nach oben bzw unten ab, wie die Erdachse schief steht,also 24 Grad.
Das hat man auf dem Stein abgebildet. Der kurze tiefe Einschnitt am unteren Rand des Steines wies exakt nach Süden, als der Stein noch in der Wand steckte. Der Grund dieses Einschnittes ist gegen die Oberfläche des Steines um 24 Grad geneigt.Darüberhinaus beträgt der Winkel zu den parallelen Linien der Tag- und Nachtgleichen 24 Grad. Der seitliche Schwenk von der Hauptmesslinie weist auf den Einschnitt und ist im oberen Teil eine Parallelverschiebung des Einschnittes mit ebenfalls 24 Grad zu den parallelen Linien. Man nahm diese Messung also sehr wichtig.
Für eine genaue Zeitstellung reicht dieser Winkelwert aber nicht aus, da kleine Messungenauigkeiten Tausende von Jahren bedeuten können.
Auf dem Stein ist der Bereich zwischen Wintersonnenwende und den beiden Tag-und Nachtgleichen besonders gut dargestellt, das ist auch der Bereich, wo der Horizont exakt waagerecht verläuft. Nördlich vom Westpunkt steigt der Horizont, im Bild rechts, etwas an.
Ob auf dem Kreisberg auch eine Kreisgrabenanlage war, ist lediglich eine Vermutung. (Was aber nicht zwingend mit dem Stein im Zusammenhang stehen muß) Eigentlich ist der Kreisberg nur der westliche Ausläufer des Gänseberges, der allerdings auch nur 172 m hoch ist. Aber nomen ist omen und die Schneestrukturen regen die Phantasie an. Auf Satellitenbildern ist eine kreisförmige Struktur an dieser Stelle schwach erkennbar mit einem Durchmesser von etwa 90 Metern.
Blick von der Fundstelle in das Rösetal mit untergehendem Vollmond. Röse bedeutet auch Steinhügelgrab. Selbst in der allerersten Morgendämmerung sieht man eines der Hügelgräber von Seeburg im linken Bilddrittel rechts oberhalb der gedrungenen romanischen Wehrkirche von Seeburg.
Der Winkeldurchmesser des Mondes beträgt, ebenso wie der von der Sonne, rund 1/2 Grad. Sonne und Mond zusammen also 1Grad. 360mal passen Sonne und Mond in einen Vollkreis - Grundlage unserer Winkeleinteilung von 360 Grad seit der Steinzeit, Rechengrundlage auch des Steines.
Indischer Kreis nennt sich diese Anordnung, die Inder haben zuerst darüber geschrieben, bekannt ist er aber in allen frühen Kulturen.
Auf dem Stein erfolgte die Ost-West-Justierung ebenfalls über eingesteckte oder gehaltene kleine Stäbchen, die Einsteckpunkte sind deutlich zu sehen. Dafür konnte jede der ehemals 60 parallelen Linien genutzt werden. Parallelverschiebung ändert die Winkel nicht, das wußte man schon in der Steinzeit.
Ich habe die Anordnung zur Tag- und Nachtgleiche ( = Frühlingsanfang ) 2009 auf dem Kreisberg ausprobiert. Sicher ist man da in der Steinzeit sorgfältiger vorgegangen, aber ich wollte nicht erst den Acker ebnen.
Die Vorgehensweise ist einfach: Um einen Schattenstab wird ein Halbkreis geschlagen.Den Kreisbogen habe ich mit etwas weißem Sand nachgezogen. Wo der Schatten des Stabes genau den Kreis berührt am Vormittag und am Nachmittag steckt man je einen Stock. Das ist die Ost-West-Richtung. (Die Sonne hat mir bei meiner Anordnung einen Streich gespielt und sich in dem Moment, als ich den Schatten fotografieren wollte, hinter einer Wolke versteckt, dafür hat sie aber freundlicherweise beim Untergang mitgespielt.)
Trotz der relativ ungenauen Versuchsanordnung ist deutlich zu sehen, daß zur Tag-und Nachtgleiche die Sonne eben nicht exakt im Westen untergeht und Tag und Nacht mithin auch nicht gleich sind, denn die Sonne ist ja noch zu sehen. Durch die Lichtbrechung am Horizont ist sie länger zusehen. Für unser heutiges abstraktes Verständnis reicht das aus, in der Steinzeit ist man mit Sicherheit von dem tatsächlichen Geschehen am Horizont ausgegangen. Daher muß der Frühlingsanfang gegen unseren Kalender um 1 bis 2 Tage früher und der Herbstanfang entsprechend später liegen. Damit ist dann auch die Diskrepanz von 1,5 Grad von weiter oben erklärt.
Zur genauen Ost-Westjustierung ist noch folgendes zu beachten: Die scheinbare Bahn der Sonne am Himmel ist eine Spirale wodurch sich die Auf- und Untergangspunkte täglich verschieben, aber eben nicht gleichmäßig. Zu den Sonnenwenden liegen die Spiralwindungen sehr eng beieinander und zu den Tag-und Nachtgleichen am weitesten auseinander. Von der Wintersonnenwende zur Sommersonnenwende vollführt die Sonne eine Linksspirale und von der Sommersonnenwende zur Wintersonnenwende eine Rechtsspirale am Himmel ( Doppelspiralen als Muster = 1 Jahr ). Der Indische Kreis zur Bestimmung der Ost-Westrichtung ist daher in Nähe der Sommersonnenwende am genauesten, oder man macht die Messung zu beiden Gleichen und hebt dadurch die leichte Spiralverschiebung auf
Auf dem Stein erfolgte die Ost-West-Justierung ebenfalls über eingesteckte oder gehaltene kleine Stäbchen, die Einsteckpunkte sind deutlich zu sehen. Dafür konnte jede der ehemals 60 parallelen Linien genutzt werden. Natürlich sind auch andere Kombinationen möglich, da die oberen Einsteckpunkte nicht erhalten sind, lässt sich das nicht überprüfen. Parallelverschiebung ändert die Winkel nicht, das wußte man schon in der Steinzeit. Daher müssen die Stäbchen auch nicht zwingend senkrecht zur Oberfläche des Steines stehen, sie müssen nur deckungsgleich hintereinander stehen, was man leicht ersehen kann.
Die Arbeit an der astronomischen Interpretation des Steines ist noch nicht abgeschlossen.